Die Historische Zählmaschine G1
Abstrakt :
Die historische Zählmaschine G1 ist ein einstelliger elektronischer Zähler auf Röhrenbasis.
G1 wurde als Familien-Bastelprojekt entwickelt und gebaut und hat keinen praktischen Nutzen sondern dient dazu altes Wissen zu erhalten und weiter zu geben.
Diese Projektbeschreibung ist auch als PDF-Datei verfügbar. |
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Hier stehen die einzelnen Schaltbilder als ZIP-Datei zur Verfügung. | |
Vorgeschichte:
Der Schul-Informatikkurs meines Sohnes Kai besuchte das Siemens Nixdorf Museum (kurz HNF) und ich bekam die Möglichkeit mich dieser Reise anzuschließen. Für mich als Profielektroniker, der in seiner Jugend noch teilweise die aktive Zeit vieler Exponate miterlebt hat, eine sehr beeindruckende Ausstellung. Alle Schüler bekamen eine Aufgabe sich über bestimmte Exponate genauer zu informieren und anschließend darüber zu berichten. Kai bekam die Aufgabe sich über den "ENIAC" zu informieren. Dies war eine Röhrenbestückte Rechenmaschine die zur Zeit des zweiten Weltkriegs dazu diente ballistische Kurven zu berechnen.
Leider war ausgerechnet der ENIAC im HNF sehr schlecht präsentiert. Einerseits wohl, da es keine Überbleibsel des ENIAC gibt. Andererseits scheint jemand das Fehlen von Exponaten durch riesige transparente Fotos des ENIAC ausgleichen zu wollen, was meines Erachtens völlig misslungen ist.
Ein (nicht transparentes) Foto ließ mir dann aber doch keine Ruhe, es war ein kleiner Ausschnitt einer Schaltskizze des ENIAC, ein Flip Flop.
Zuhause sprachen Kai und ich noch lange über das Erlebte, und mir wurde bewusst dass Kai zwar alles verstanden hatte, aber die wirkliche Dimension eines 18.000 Röhren-Rechners wohl nicht nachvollziehen konnte.
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Und so war meine Idee geboren: Wir bauen mal einen kleinen Röhrenrechner!
Wer mich kennt, der weiß dass ich sogar ein Hobby professionell angehe.
Also wurde zunächst ein Anforderungskatalog erstellt.
Die Anforderungen:
1. Ein Gerät das rechnen kann, zumindest eine simple einstellige Addition.
2. Numerische Eingabe, Numerische Ausgabe.
3. Weitgehend basierend auf historischen Bauteilen und Bauweisen.
4. Jedes aktive Bauteil mit mehr als zwei Anschlüssen muss eine Röhre sein.
5. Klare, übersichtliche Gestaltung und lehrreiche Grundschaltungen.
6. Ein historisches Aussehen.
Die Planung und Entwicklung:
Ich hatte in meiner Jugend und auch später zu Anfang meines Berufs noch recht viel mit Röhren zu tun.
Dies waren aber überwiegend analoge Schaltungen aus der HF und NF Technik. Röhren-Digitaltechnik hatte ich nie gebaut. Somit begann das Projekt mit der Suche nach Röhrenschaltungen der Digitaltechnik. Auch hier waren die Suchmaschinen des Internet mal wieder hilfreich. Dann startete die Suche nach Bauteilen. Vieles hatte ich auf Lager, wenn auch sehr ungeordnet und tief vergraben. Als Ausgabegerät fand sich ziemlich schnell eine schöne Nixieröhre.
Nach einigen Tagen sinnieren hatte ich mich dann entschieden die Additionsmaschine in Form eines Zählers zu realisieren. Damit ergab sich auch eine praktische Eingabemöglichkeit: Eine alte Telefonwählscheibe.
Nun ging es an die eigentliche Schaltung.
Alle Baugruppen habe ich jeweils auf einem Steckbrett entwickelt, getestet und optimiert bevor sie dann aufgebaut wurden.
Da Röhren nicht direkt in die 2,54mm Raster Steckbretter passen hatte ich mir zunächst an ein paar alte Keramikfassungen Drahtstifte gelötet die ich dann mit etwas Geduld in das Steckbrett stecken konnte.
Bei der Entwicklung hat sich folgendes Gesamtkonzept ergeben:
Das Blockschaltbild
Hier nun die Baugruppen im Detail:
Die Stromversorgung:
Ich hatte noch einige Netzteile von alten Röhren-Antenneverstärkern auf Lager. Und da es eher keine Herausforderung ist ein Netzteil zu bauen, habe ich einfach dieses verwendet. Allerdings fehlte mir darin die für meine Schaltungen erforderliche negative Gittervorspannung. Hierfür habe ich eine kleine trickreiche Zusatzgleichrichtung eingebaut. Und der Historiker möge mir verzeihen, ich habe sie mit einer Zehnerdiode stabilisiert. Ein Glimmstabi wäre hier authentischer gewesen, aber dazu fehlte mir im Netzteilchassis der Platz, und es gibt keine 30 Volt Glimmstabis.
Das Netzteil liefert 6,3 V AC, +250 V DC und -30 V DC.
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Netzteilschaltbild
Die Zählkette:
Die Zählkette musste für eine Dezimalstelle mindestens 4 Bit zählen können.
Erste Experimente einer Flip Flop Schaltung auf einem Steckbrett mit einer Doppeltriode E88CC aus alten Antennenverstärkern waren viel versprechend.
Ich benötigte aber nicht nur ein einfaches Flip Flop mit Set- und Reset-Eingang sondern auch einen Clock-Eingang.
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Ich erinnerte mich an alte Transistorschaltungen bei denen der Clock-Eingang mit zwei gesteuerten Dioden an den Basen realisiert wurde. Experimente mit dieser Schaltungstechnik scheiterten allerdings mit Röhren, offenbar auf Grund der völlig anderen Impedanzverhältnisse.
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Den entscheidenden Hinweis fand ich dann im Netz unter:
http://www.jogis-roehrenbude.de/Leserbriefe/Bruegmann-Digital-Roehren-Clock/Digital-Roehrenuhr.htm
Für einen "alten" Röhrentechniker etwas ungewöhnlich, aber der Eingang liegt hier wirklich an der Anode. Die Schaltung ist zwar in der Dimensionierung etwas sensibel und die Ausgänge vertragen nur eine geringe Last, ansonsten arbeitet sie aber stabil.
Für ein Flip-Flop sind zwei gleiche Triodensysteme erforderlich. Diese findet man praktischer Weise in einer Röhre als Doppeltriode vereint, was die thermische Stabilität erhöht und den Aufwand an Bauteilen verringert. Die Wahl der Röhre fiel auf den Typ ECC85. Erstens bewährte sie sich experimentell (besser als z.B. ECC83 o.ä.), zweitens waren davon etliche auf Lager.
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Flip-Flop Schaltbild
Die Entprellung:
Im Experiment zeigte sich, dass die Kontakte der Wählscheibe zu sehr prellten um damit die Zählkette direkt zu treiben. Deshalb musste eine Entprellung her.
Die Lösung war einfach: Ich baute ein Monoflop nach klassischer Standardschaltung mit kleinen Anpassungen. Auch hier kam wieder eine ECC85 zum Einsatz.
Die Impulse der Wählscheibe werden hiermit um 5 ms verlängert, was eine sichere Entprellung bewirkt.
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Schaltbild der Entprellung
Zeitbestimmend für die Impulsverlängerung ist hier die Kombination von R6, R7 und C1.
Die Kondensatoren C2 und C3 dienen der Versteilung der Impulsflanken.
Die Dekodierung:
Da die Anforderung einer Dezimalen Anzeige bestand, das Zählergebnis der Zählkette aber in binärer Form vorliegt war ein Decoder erforderlich.
Hierauf habe ich bei der Entwicklung die meiste Denkzeit verwendet.
Es gibt hierfür Röhrenschaltungen in Form eines Prioritätsdekoders. Diese sind aber eher aufwändig, wenig übersichtlich und daher nicht unbedingt lehrreich. Außerdem können sie keine Nixieröhren sondern nur Einzelglimmlampen treiben, da sie keine gemeinsame Anode zulassen.
Im Prinzip ist ein Binär-Dezimal Decoder nichts anderes als ein großes UND-Gatter pro Digit. Also 10 große UND-Gatter mit je 4 Eingängen. Wobei je nach zu dekodierender Stelle noch 1 bis 4 Inverter eingefügt werden müssen.
Röhren mit 4 Eingängen gibt es, aber sie sind rar und es würden 10 Stück benötigt.
Erschwerend kam hinzu, dass aus den Flip-Flops leider kein schönes Logiksignal 0 V / x V kommt sondern logisch 0 entspricht etwa 50 V und logisch 1 etwa 150 V.
Hier möge mir der hardcore-Historiker verzeihen, aber ich hatte mich dann für eine Diodenmatrix mit Nachgeschalteten Treibern entschieden.
Und obwohl sich ergab dass diese Konstruktion auch ihre Tücken hatte, war es ein guter Kompromiss. Erstens ist die Version mit der Diodenmatrix sehr überschaubar und lehrreich, zweitens gab es auch im 2. Weltkrieg schon Dioden. Wenn auch erst in kleiner Stückzahl.
Nun ergeben Dioden aber kein UND Gatter sondern ein ODER Gatter.
Wenn man aber die Logik auf den Kopf stellt und mit negativer Logik arbeitet, wird ein ODER Gatter daraus. Das gestaltete sich einfach, denn die Flip-Flops liefern ja Q und Q invers.
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Schaltbild der Diodenmatrix (Logisch 0 = Diode)
Die Anzeigentreiber:
Auch hier war wieder Gehirnschmalz gefordert.
Die Anzeigentreiber muss man in der Gesamtheit mit Nixieröhre, Flip-Flop und Decodermatrix betrachten.
Die Nixieröhre hat eine gemeinsame Anode und die 10 numerischen Katoden. Das bedeutet, dass man diese nach Masse ziehen muss damit das entsprechende Segment leuchtet.
Also musste pro Segment eine Röhre eingesetzt werden. Auch hier hatte ich wieder Doppeltrioden ECC85 ausgewählt, was die Anzahl der Treiberröhren auf 5 senkte.
Damit die Nixieröhre sauber zündet sind etwa 200 V erforderlich. Somit mussten die Katoden der Treiber direkt auf Masse.
Und nun kam das große Problem. Die Treiberröhren brauchen für Logisch 0 ca. -10 V und für Logisch 1 ca. 3 V, aus meinen Flipflops kommen aber +50 und +150 V und dazwischen muss noch die Diodenmatrix.
Spätestens an diesem Punkt wurde mir klar warum es beim ENIAC so viele Versorgungsspannungen gab.
Da mit negativer Logik gearbeitet wird muss die Treiber-Röhre durch einen Gitterwiderstand ständig nach + gezogen werden um leitend zu werden.
Durch die Diodenmatrix wird nun die Treiberröhre für jede unpassende Bitkombination gesperrt in dem die Dioden die Steuerspannung ableiten.
Um den Pegel von 50 / 150 V auf das erforderliche Gitterniveau anzupassen hatte ich zunächst eine Widerstandskombination vorgesehen.
Der spätere praktische Betrieb zeigte aber, dass der Spannungshub am Gitter zu gering war. Exemplarstreuungen bei den Röhren führten zu Kontrast- und Helligkeitsschwankungen in der Anzeige.
Damit sich der Spannungshub vergrößerte habe ich einen Widerstand der Spannungsteilerkette jeweils durch eine 100 V Zehnerdiode ersetzt, was ein sicheres Schalten der Anzeigentreiber ergab.
Der Historiker möge mir auch hier verzeihen, der Kompromiss war aus Zeitgründen erforderlich, denn das Projekt begann mittlerweile zwei Arbeitsplätze in meiner Firmenwerkstatt zu belegen, einen für die Entwicklung und einen für den Bau.
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Schaltbild des Anzeigentreibers (nur der Treiber 0 dargestellt)
Um einen Punkt nach der Fertigstellung und dem Probebetrieb schon mal vorweg zu nehmen: Es zeigte sich ein unschöner Effekt, nämlich ein zeitweise völlig konfuses zählen der Zählkette. Auf die Untersuchung dieses Fehlers musste ich viel Zeit aufwenden.
Der Übeltäter war ein kleiner aber gravierender Konstruktionsfehler:
Erinnern Sie sich: Die Flip-Flops werden an den Anoden getaktet. Beim Bitwechsel entstehen aber hinter der Diodenmatrix Impulse die den Taktimpulsen ähnlich sind und über die Diodenkapazität zurück auf andere Anoden koppeln. – sehr fatal -
Allerdings war die Abhilfe einfach: Ich habe über die Ausgänge der Diodenmatrix Kondensatoren nach Masse geschaltet, was eine völlig ausreichende Entkopplung bringt.
Die Glimmlampen:
Sehr hilfreich bei den Experimenten war es, über die Anodenwiderstände jeweils eine kleine Glimmlampe zu schalten. Man sieht sofort den Schaltzustand der Röhre, und da Glimmlampen einen gewissen analogen Helligkeitsbereich haben, erkennt man auch sehr gut Fehler. Deshalb entschloss ich mich neben jeder Doppeltriode zwei Glimmlampen zur Zustandskontrolle einzuplanen. Außerdem dienen sie dem Lerneffekt, denn man kann den Signalverlauf verfolgen und die Binären Zustände erkennen.
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Nicht zuletzt sieht es einfach toll aus wenn alles blinkt und erinnert wirklich an historische Rechenmaschinen mit den vielen Lampentableaus.
Somit war die Entwicklung der eigentlichen Schaltung abgeschlossen und es stand fest was gebaut werden sollte.
Ein Netzteil, 10 Röhren, eine Nixieanzeige und eine Telefonwählscheibe mussten untergebracht werden. Um eine kleine Reserve zu haben erweiterte ich das Konzept auf 12 Röhrenplätze.
Die Mechanik:
Während der ganzen Phase der Elektronikentwicklung hatte ich mir schon Gedanken über die Mechanik gemacht. Als historische Werkstoffe kamen nur Holz und Metall in Frage. Auch der ENIAC war zu einem großen Teil in Holzgestellen mit Metallfrontplatten. Alle Bauteile sollten offen und gut sichtbar sein. Ich entschied mich für eine Konstruktion in Form eines "T" – Profils auf einer Holzgrundplatte.
Auf der oberen Platte sollten die Röhren angeordnet werden. Aus Gründen einer guten Masseführung und eines einfachen Einbaus der Röhrensockel entschied ich mich für eine Alu-Platte.
Der senkrechte Teil des "T" und die Grundplatte sollten aus lackiertem Holz sein um eine einfache Montage der Lötleisten und eine gute Isolation zu bieten.
Die passiven Bauteile sollten alle auf Lötleisten angeordnet sein, und darunter, ebenfalls auf Lötleisten, der Betriebsspannungsbus.
Durch das "T" Profil war eine gute beidseitige Raumnutzung und eine kurze Leitungsführung möglich.
Der Bau der Mechanik:
Obwohl ich meine Söhne Kai (15J) und Jan (11J) auch schon mit in die Entwicklung einbezogen hatte, begann für sie nun die eigentliche Arbeit.
Sie sollten den G1 völlig selbstständig unter meiner Anleitung aufbauen, wobei Jan hauptsächlich die Mechanik und Kai für die Elektronik zuständig war.
Wir begannen damit Anfang der Weihnachtsferien, so dass in der Werkstatt genügend Zeit und Platz zur Verfügung stand.
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Ich war sehr überrascht wie schnell Jan mit der Mechanik klar kam, und dass obwohl ich viel Wert auf sauberes und professionelles Arbeiten legte. Holz sägen und schleifen, Alu sägen, feilen und abkanten, Löcher anzeichnen und bohren, lackieren all das machte Jan sehr viel Spaß und er war mit viel Elan bei der Sache.
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Da das anreißen und das bohren der Löcher für die Röhrenfassungen an der Säulenbohrmaschine eine etwas kritische und nicht ganz ungefährliche Arbeit ist, hatte ich das Jan mit Kai zusammen machen lassen.
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Der Bau der Elektronik:
Nachdem das "Gerüst" nun stand begann Kai mit der Elektronik.
Zuerst setzte er die Röhrenfassungen ein dann sägte und befestigte er die Lötleisten.
Danach kamen die Drahtbrücken von den Röhrensockeln zu den Lötleisten dran.
Bei der Menge Drahtbrücken lernt man relativ schnell das Abmanteln von Schaltdraht und das Verzinnen und Löten. Allerdings war es für Kai nicht das erste Mal dass er etwas mit Draht baute und lötete. Das ergibt sich als Sohn eines Kommunikationselektronikers automatisch.
Jan machte während der Zeit an einem anderen Arbeitsplatz ebenfalls ein paar Lötübungen.
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Nach dem auch der Betriebsspannungsbus gelötet war, konnte mit den passiven Bauteilen begonnen werden.
Da ein 15-jähriger natürlich auch ein paar andere Interessen hat, einigten Kai und ich uns darauf jeden Abend ein paar Stunden am G1 weiter zu arbeiten.
Ein amüsanter Effekt war dass Kai eine rot/grün Farbsehschwäche hat und es kam oft die Frage: "Sag mal, ist das ein roter oder grüner Draht"? Das gleiche galt auch häufig für den Farbcode auf Widerständen.
Ursprünglich hatte ich geplant wirklich nur alte Bauteile zu verwenden, was aber nicht aufrecht zu halten war, denn wer hat z.B. mal eben 114 alte, passende Widerstände auf Lager?
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Nach etwa 25 Stunden Arbeit hatte Kai die Zählkette fertig und es konnte ein erster Testlauf stattfinden. Dieser war nicht nur für Kai spannend, sondern auch für mich, dann ich hatte auf dem Steckbrett bisher nur zwei Flip-Flops aufgebaut.
Und wie es sich für saubere Arbeit gehört, die Zählkette funktionierte auf Anhieb.
Das gab uns richtig Auftrieb am G1 mit Enthusiasmus weiter zu arbeiten.
In den darauf folgenden Tagen baute Kai in gleicher Weise dann die Anzeigentreiber auf.
und nach etwa weiteren 25 Stunden waren auch diese fertig und konnten getestet werden.
Die funktionierten auf Anhieb.
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Für die Verbindungen zwischen Nixieröhre und Anzeigentreibern (11 Adern) hatte ich mir für Kai etwas Besonderes ausgedacht:
Auf der einen Seite enden alle Adern an der Nixieröhre, auf der anderen Seite wird das Bündel an jedem Anzeigentreiber um einer Ader weniger. Wie gemacht für den klassischen Kabelbaum. Also holte ich eine alte Rolle Wachsbindegarn heraus und begann an der Nixieröhre damit, Kai das Ausbinden eines Kabelbaums zu zeigen.
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Nach 2-3 Knoten hat Kai dann weiter gemacht und nach anfänglich leichtem verhaspeln dann einen sauberen Kabelbaum hergestellt.
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Eigentlich wollte ich die Diodenmatrix ebenfalls vertikal auf die Lötleisten aufbauen.
Mittlerweile waren mir aber Ideen für zusätzliche Schaltungen gekommen. (dazu später mehr)
Deshalb haben wir uns entschlossen die Diodenmatrix auf einem art Sub-Bord mit Winkeln über den Betriebsspannungsbus zu setzen.
Dieses ergibt auch eine schöne Sichtbarkeit der Diodenanordnung.
Die Diodenmatrix habe ich zum Teil selbst gebaut, einerseits weil ich mir selbst noch nicht ganz klar war wie ich sie mechanisch realisiere andererseits da ich SMD-Dioden verwendet habe, die für einen Anfänger etwas schwer zu handhaben sind.
Sicherlich wäre es einfacher gewesen die Matrix auf einer Lochrasterplatte aufzubauen, aber soweit wollte ich mit dem Stilbruch dann doch nicht gehen, und habe mich dann damit bestraft 44 SMD-Dioden auf eine Drahtmatrix aufzulöten. - Eine Sisyphosarbeit –
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Kai übernahm dann danach die Montage und Verdrahtung der fertigen Diodenmatrix.
Es folgte darauf dann die endgültige Zusammensetzung der gesamten Mechanik in Zusammenarbeit von Jan, Kai und mir.
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Der erste große Test:
Dann war der große Moment der Wahrheit gekommen: Der erste vollständige Test.
Nun ja, wie das so bei der Generalprobe ist, die darf einfach nicht klappen, und daran haben wir uns gehalten. Die Zählkette zählte völlig konfus oder gar nicht oder auch mal ein paar Takte richtig.
Also das Ganze vom Bau-Arbeitsplatz zum Mess-Arbeitsplatz.
Ein Fehler war relativ schnell gefunden: Weil alle verwendeten Röhren ungeprüfte alte Röhren waren, waren einige Exemplare dabei die stark unsymmetrisch in ihrer Steilheit waren.
Die Röhrenprüfung:
Also trat ich den Weg ins Lager an wo ich noch ein altes Röhrenprüfgerät habe.
Nach dem Entstauben und der Suche nach einem 220/110V Trafo, denn es ist ein amerikanisches Gerät, stellte ich fest, dass es kein amerikanisches Äquivalent zu einer ECC85 gibt. Also musste ich mir erst mal eine Prüfeinstellung für diese Röhre machen. Dann begann das mühsame prüfen aller ECC85 die ich auf Lager hatte, so ca. 20 Stück. Einstecken, aufheizen, 3x Schalter auf System 1, prüfen, notieren, 3x Schalter auf System 2, prüfen, notieren, und das 20-mal.
Ironie des Schicksals: Eigentlich waren alle ECC85 recht gut bis sehr gut, bis auf die, die wir in die Zählkette gesteckt hatten.
Murphy lässt grüssen.
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Der zweite große Test:
Also steckten wir die guten ECC85 in die G1 und begannen unseren Test noch einmal.
Diesmal sah alles wesentlich besser aus, allerdings kam es immer noch zu gelegentlichen Fehlzählungen. Der Fehler war die weiter oben schon beschriebene Rückkopplung von Taktimpulsen über die Diodenmatrix, die wir mit ein paar Kondensatoren beseitigt haben. Danach lief alles einwandfrei !
Hurraaaaa ! Wir können einstellige Zahlen bis zur Summe 9 elektronisch addieren.
- Welch ein Quantensprung der Technik! -
Das Update:
Ich empfand es etwas langweilig dass unsere Zählmaschine nur etwas tat wenn man die Wählscheibe betätigte und es sah etwas befremdlich aus, dass beim Zählerstand 10 bis 15 das Display einfach ausging.
Somit entwickelte ich ein "Update".
Es waren noch die beiden eingeplanten Reserveplätze frei und aus optischen Gründen schon mit Röhrenfassungen bestückt. Einer davon sollte ein Taktgenerator für automatisches Zählen werden der andere eine Resetschaltung für dekadisches Zählen.
Der Astabile Multivibrator:
Die klassische Taktgeberschaltung ist der Astabile Mutivibrator.
Ein solcher war schnell aufgebaut und für etwa 1 Hz Taktfrequenz dimensioniert.
Die in alten Schaltungen sonst nicht zu findenden Widerstände im Rückkopplungszweig habe ich eingebaut um erstens die Ausgangs-Kurvenform zu verbessern und zweitens die Röhren nicht zu übersteuern. Ohne diese Widerstände ziehen sie einen nicht unerheblichen Gitterstrom, was ihre Lebensdauer unnötig verkürzt.
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Schaltbild des Astabilen Multivibrators
Das Reset Monoflop:
Um auch die Möglichkeit zu haben dekadisch zu zählen muss bei Auftreten einer 10 die Zählkette wieder auf Null gesetzt werden. Dazu hatte ich nun noch genau einen Röhrensteckplatz frei. In der Diodenmatrix hatte ich bereits eine Ausgangsspalte dafür eingebaut. Da die Dekodierung genau wie bei den Anzeigentreibern erfolgen muss stand fest, dass die logische 10 nur einen positiven Impuls an der Resetschaltung erzeugen kann. Des Weiteren stand fest, dass zum Reset der Zählkette ein kräftiger definierter negativer Impuls erforderlich ist. Definierte Impulse sind nur mit einem Monoflop (so wie bei der Entprellung) zu erzeugen. Die klassische Monoflop Röhrenschaltung kann aber nur mit negativen Impulsen getriggert werden. Deshalb war eine Eigenentwicklung erforderlich, denn Platz für einen Inverter gab es nicht mehr.
Herausgekommen ist das "Gräw’sche G1r Flop, eine digiloge, teilinvertierte" Monoflopschaltung. Sehr zuverlässig und reproduzierbar.
Sofort bei auftreten des Zählzustandes 10 wird ein 30ms Impuls erzeugt der die Zählkette zuverlässig auf Null zurücksetzt, auch beim Überlauf während der Taktung durch die Wählscheibe.
- Ach, ich hätte Entwickler zur Zeit der Röhrentechnik sein sollen …. -
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Schaltbild des Reset-Monoflop
Nach kurzer Erklärung hat Kai dann meine Steckbrett-Entwicklung des Astabilen Multivibrators und des Resetmonoflops völlig selbstständig in den G1 integriert.
Man wächst mit seinen Aufgaben !
Die Bedieneinheit:
Nun sollte es natürlich komfortabel werden.
Durch den Astabilen Multivibrator waren wir jetzt in der Lage entweder automatisch zählen zu lassen oder von Hand per Wählscheibe zu takten.
Und durch das Reset Monoflop konnten wir binär oder dekadisch zählen.
Um diese Modi komfortabel einstellen zu können haben wir noch eine kleine Schaltereinheit auf einem Alu-Blechwinkel neben der Wählscheibe montiert.
Auch hier kamen natürlich nur historische Kippschalter in Frage. Ich fand noch genug auf Lager aus alten US-Armeegeräten aus dem zweiten Weltkrieg. Dabei war auch ein Kipptaster der als Hand-Resettaster dienen sollte.
Somit gab es nun auch noch 3 Modus Schalter:
Hand / Auto
Binär / Dezimal
und Reset
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Der G1 läuft nun mittlerweile seit einigen Wochen fehlerfrei im 24 Stunden Dauerbetrieb in unserem Wohnzimmer. Und es ist merkwürdig, man kann es einfach nicht lassen immer wieder hin zu schauen.
Besonders in den Abendstunden wirkt das ruhige Blinken der Glimmlampen und die wechselnde Nixieanzeige einfach faszinierend.
So ab und zu geht mal jemand vorbei und schaltet in einen anderen Modus, wählt mal ein paar Ziffern, und lässt ihn wieder blinken.
Selbst die "Dame des Hauses" akzeptiert unsere "Wunderkonstruktion" im Wohnzimmer, zumindest vorübergehend.
Eines ist sicher: Wir sind stolz auf unser gelungenes Projekt. Und ich kann nur jedem Elektroniker empfehlen der Kinder hat: Bastelt mal mit euren Kindern, ihr werdet erstaunt sein wie interessiert sie mitmachen.
Das G1 Team mit seinem Produkt !
Ich habe aus Spass mal überschlagen was der G1 im Kundenauftrag kosten würde:
Es wären etwa 4.500,- Euro.
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Der G1 wurde im Rahmen eines Referats unter dem Titel "Computergeschichte zum Be-Greifen" im Informatikunterricht von Kai vorgestellt.
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Der Informatik-Lehrer Herr Knauer
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zeigte sich von unserem Projekt sehr beeindruckt.
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Auch die Schüler des Informatik-Kurs haben mit großem Interesse die Präsentation
und den anschließenden "Be-Greifen" Teil verfolgt.
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Was danach mit den G1 passiert ist noch unklar, aber ihn im Keller verschwinden zu lassen ist zu schade.
Er wird wohl künftig als Ausstellungsstück in meiner Firma stehen.
Es hat mir als Entwickler viel Spaß gemacht auf den Pfaden meiner Vorgänger zu wandern.
Es schweben schon weitere Ideen in meinem Kopf: Zum Beispiel könnte man eine DCF-Uhr in Röhrentechnik bauen.
Ich habe mal den Aufwand überschlagen. Er ist riesig. Ich schätze es müssten weit über 100 Röhren werden, die dann wohl ein 19" Gestell füllen würden.
Ich habe mal vorsichtig meine Fühler nach Bauteilen dafür ausgestreckt. Diese wären wohl zu beschaffen. Es fehlt eigentlich nur an "Menpower", sprich, Leute die mitmachen würden. Denn mit meinen Söhnen alleine ist das kaum zu schaffen, zumindest nicht in akzeptabler Zeit.
Lieber Leser, ob jung oder alt : Sollten Sie aus dem Raum Münster (NRW) stammen und ernsthaft Spaß haben an so etwas mit zu wirken, dann melden Sie sich doch einfach mal bei mir.
Tel.: 02533-3322 oder Mail : info@agfunk.de
© Armin Gräwe, Münster, Germany
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Letzte Bearbeitung: 12.Feb.2008
Verantwortlich & Copyright © : Armin Gräwe, Münster, Germany
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